Dienstag, 5. Dezember 2017

Kommentierung der Entwürfe Los 1 - 4

Um das Ziel der Leitlinien und Ziele für die Potsdamer Mitte, nämlich „vorbildlichen Städtebau“ und „die Heilung und Ergänzung des Gesamtkunstwerks Potsdam“ zu erreichen müssen sich die Entwürfe an den Leitlinien messen lassen. Die Präambel der Leitlinien schreibt eine Beachtung der „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregelungen“ vor, die das „eigenständige Wesen und die Atmosphäre dieser einstigen Residenzstadt geprägt haben“.

Da durch die Vorgabe des historischen Stadtgrund- und aufrisses und die damit verbundenen Kleinteiligkeit der Parzellierung wesentliche Vorgaben zur Wiedergewinnung der Gesamtensemblewirkung vorgegeben sind, haben wir uns auf die Fassadengestaltung der Entwürfe beschränkt. Das gilt insbesondere für die Entwürfe in zeitgenössischer Architektur außer den beiden Leitfassaden. 

Bewertungskriterien waren dabei:
  1. Einhaltung der Ziele und Leitlinien des
    Leitbautenkonzeptes
  2. Einhaltung der Vorgaben und Empfehlungen aus den
    Grundstückspässen
  3. Einhaltung Potsdam-spezifischer Gestaltungskriterien
    1. Vielfalt der geometrischen Formen
    2. Beachtung Goldener/Silberner Schnitt
    3. Fensterreihung- und rhythmus
      (Ungerade Reihung 3/5/7)
    4. Plastizität, Detail und Ornamentik in
      moderner Formsprache
Siehe auch unser Video zu den Potsdam-spezifischen Gestaltungsregeln: Potsdam eine Stadt zum Verlieben. 

Auf dieser Grundlage haben wir die Entwürfe für die einzelnen Lose bewertet und in drei Kategorien eingeteilt:
  1. Empfehlung: Entwürfe, die der Überarbeitung bedürfen.
  2. Ablehnung: Entwürfe, die die Vorgaben aus den
    Leitbautenkonzept nicht erfüllen oder Potsdam-spezifische Gestaltungsmerkmale gänzlich vermissen lassen und die unserer Einschätzung nach durch Überarbeitung nicht zu heilen sind.
  3. Offen: Entwürfe, die eventuell durch deutliche Überarbeitung verändert werden könnten, aber bei denen wir nicht wissen können, ob das überhaupt möglich ist.
Die Nutzungen konnten nicht beurteilt werden, da diese nur abstrakt beschrieben waren.
Unsere Devise: 

Gesucht ist die individuelle Lösung für einen individuellen Bauplatz unter Beachtung der Gesamtensemblewirkung.


Los 1: Achteckenhaus (Schwertfegerstraße 10) und Friedrich-Ebert-Straße 1/2.

Die Entwürfe 1A und 1B nähern sich bzgl. des Achteckenhauses beide dem historischen Gontards sehr, wobei sich der Entwurf 1A dem historischen Original am meisten annähert. Im Entwurf 1B sind leider die Rundbogenfenster in der Belle Etage entfallen. Hier wäre nach den die „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregeln“ 1 eine Betonung des 1. Obergeschosses notwendig (Rundbögen, Verdachungen). Im Entwurf 1B fehlt leider der Bauschmuck völlig. Mehr Plastizität (L 1.3.10) bleibt hier auch zu wünschen. Unklar bleibt, warum die Entwürfe 1B und 1C 4 statt 3 Fenster an der Friedrich-Ebert-Straße aufweisen. Gerade der ungerade Fensterachsenrhythmus (3/5/7, Hier Achteckenhaus 3, Friedrich-Bert-Straße 1⁄2 9, Plögerscher Gasthof 7) ist wichtig für die Vielfalt in der Straßenzeile und Gesamtensemblewirkung.
Der Entwurf 1C importiert eine eher süddeutsche Ästhetik, die in der Potsdamer Altstadt keinen Anschluss findet. 

Bei 1A und 1B leben die Entwürfe für die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 vom Kontrast zu ihren Nachbarn (Plögerscher Gasthof südwärts, Achtecken nordwärts). Eine weitere Detaillierung (Überarbeitung Gesimse, Fensterverdachungen, Bauschmuck) käme unmittelbar der Qualität des „Füllbaus“ an der FES zugute. 

Der Entwurf für die Friedrich-Ebert-Straße des Bieters 1A ist reine Schlitz-Rasterfassade und auch durch Überarbeitung nicht leitlinienkonform zu überarbeiten. Er weist eine Potsdam-untypische gerade Zahl an Fensterachsen auf und wirkt viel zu Monoton. Das Erdgeschoß ist zwar überhöht, erscheint aber durch seine Teilungen für Gewerbe ungeeignet. Eine nach den Leitlinien in L.1.1. geforderte Kommunikation des Entwurfes mit der benachbarten Leitfassade ist nicht erkennbar.
Der Vorschlag des Bieters für die Friedrich-Ebert-Straße mit der Nummer 1B ist konsequent modern, gut proportioniert und erinnert etwas an Gehrys Bankgebäude am Pariser Platz. Bei diesem Entwurf wäre es dringend notwendig sich rechtzeitig und verbindlich über die Fassadenmaterialien zu verständigen. Diese müssten gediegen, aber nicht protzig sein. Zu überdenken ist der Schattenwurf am Übergang zu den Nachbargebäuden. 

Bei 1C ist die Auflösung der Parzelle Friedrich-Ebert-Straße 1/2 in zwei Parzellen zwar im Prinzip löblich, in diesem Entwurf jedoch ungelenk und willkürlich gelöst. Wie ein solcher Entwurf mit den in den Leitlinien geforderten naturroten Dachziegeln gelöst werden soll (L1.3.8.) bleibt unklar-
Grundsätzlich ist Mitteschön mit der reaktionslosen Aufweitung der einstmals doppelsymmetrischen Kreuzung nach der Referenz der „Quattro canti“ in Palermo nicht glücklich. Es entsteht nun eine ovale Kreuzung, die mangels städtebaulicher Fassung nie ein Platz werden kann. Umso wichtiger wäre es deshalb, die vier Eckbauten durch ihre einheitliche Architektur zusammenzuhalten, sonst sucht der Besucher den Sinn der Gestaltung vergebens. 

Empfehlung: 1B mit Überarbeitungswünschen, da hier die Friedrich-Ebert-Straße 1/2 besser gelöst ist.
Ablehnung: 1C und 1A (wegen des Vorschlags zur Friedrich-Ebert-Straße)


1 Leitlinien zur Vergabe des Blocks in der Fassung der Ausschreibung, Abschnitt L, 4. Absatz 

Los 1A, Bieter 21066 
Ablehnung

Los 1B, Bieter 21067
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 1C, Bieter 21068 
Ablehnung


Los 2 (Fuge, Schwertfegerstraße 11)

Die Idee der Verwendung von Sternpaneelen des ehem. Instituts für Lehrerbildung (IfL)/Fachhochschule bei einem Neubau lag auf der Hand. Auch die Parzelle bietet sich für eine solche Geste an, da das historische Grundstück durch die Verschiebung der heutigen Friedrich-Ebert-Straße nicht mehr zur Verfügung stand. Jedoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Verwendung an vielen Stellen den Ausschreibungsrichtlinien widerspricht. 

Der Entwurf 2A kommt im Erdgeschoß nicht zu Boden und schlägt eine 70er-Jahre-Lösung vor. In dieser Nordfassade an der Wendeschleife einer Tiefgaragenzufahrt den Eingang tief hineinzuziehen, erscheint unglücklich. Die Erdgeschosssituation ist in Entwurf 2B besser gelöst. Bei beiden Nutzungsarten ist die Schaufensterfront passender. Die Dachlösungen sind allerdings in beiden Entwürfen noch zu überdenken. Während 2A eine Brandwand des Achteckenhauses inszeniert (die es allerdings historisch gab), zieht 2B das Sternpaneel willkürlich in die Schräge des Daches. Der Übergang der Traufe erscheint unpassend und gewollt. 

Der Reiz des Paneels jedoch besteht nur zum Teil in seinem lokalen, nostalgischen Bezug zum Gebäude der ehem. FH Potsdam. Die Ornamentik hat ihren Ursprung in der pyramidenartigen Bossierung der Renaissancebauten Oberitaliens (u.a. Palazzo die Diamanti, Bauzeit 1492-1567, Ferrara, Architekt: Rosetti, unterstes Bild) und lebt auch in der modernen Tradierung als Sonnenschutz-Paneel vor Kaufhäusern oder Gewerbebauten von der Schattenbildung (das war bei der Verwendung in der FH kaum zu sehen, da die Teile zurückversetzt eingebaut waren). Das kommt durch die Verwendung als Dach nicht zur Geltung eine als Dach notwenige Hinterglasung macht die Idee zusätzlich unpraktisch. 

Diese architektonische Qualität kommt nur zum Tragen, wenn die Paneele nur in einer Ebene eingebaut werden. Es wäre wünschenswert sich für beide Entwürfe alternative Dachlösungen, bevor entschieden wird. 

Der ortsbeliebige Glasbau 2C wird ablehnt. Der Entwurf paraphrasiert den Gewerbebau von Grüntuch/Ernst am Berliner Hackeschen Markt und ist damit ein dezidiert großstädtischer Bau, der zudem in der untergeordneten Schwertfegerstraße außer einem bewussten Anderssein keine Qualität entfaltet. Eine Korrespondenz/Dialog mit den Leitfassaden (L 1.1.) ist nicht erkennbar.
Sollte sich die Jury für das Sternpaneel entscheiden ist eine Informationstafel zwingend notwendig, da sich dem Potsdam Besucher der Sinn sonst nicht erklärt. 

Empfehlung: 2A oder 2B mit Überarbeitung Ablehnung: 2C


Los 2A, Bieter 21069
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 2B, Bieter 21070
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 2C, Bieter 21072
Ablehnung


3. Los (Schwertfegerstraße 12)

Der Entwurf 3A schließt nahtlos an die Fassade Brauerstraße 1 an. Bis auf die völlig überflüssige große Hausnummer ist der Entwurf zurückgenommen-abstrakt und damit zwischen den markanten Eckbauten akzeptabel. Gerade in der Schwertfegerstraße, wo eine größere Varianz der Entwürfe zu erwarten war, sollte auf eine gewisse Ruhe in der Fassadenabwicklung geachtet werden, damit der Besuch der neuen Straße nicht zur ästhetischen Achterbahn wird. Allerdings fehlt dem Entwurf eine Zonierung und Hierarchisierung der Geschosse.
Ähnlich ist 3B, hier täte ggf. ein Gurtgesims dem Haus gut. Die Fassade sollte nochmals mit Werbung über dem Erdgeschoss dargestellt werden.
3C fällt mit seinem Klinkeranteil bewusst aus der Reihe. Das Material ist in Potsdam eher in gründerzeitlichen Quartieren üblich. Am Alten Markt wirkt der Entwurf daher fremd. Auch die Verkleidung der Fassade mit Platten (Beton oder Naturstein?) wirkt eher berlinisch denn potsdamerisch.
In der Zonierung ist die Belle Etage nach oben gerutscht, hierdurch fällt der Bau in der Reihe auf. Das Erdgeschoss ist gut gelöst. Insgesamt gehört der Bau aber eher nach Babelsberg.
3D ist eine völlige Abstraktion in der Ästhetik der 1990er Jahre, wie sie Potsdam auch in dieser Seitenstraße nicht verdient hat. Selbst bei Ausführung in besten Materialen wird dieser Bau in jeder Hinsicht schlecht altern und wie schön ähnliche Bauten z.B. in der Jägerstraße ein ständiges Ärgernis bleiben. Im fehlt Hierarchisierung, Plastizität eigentlich alles, was die Leitlinien zur Grundstücksvergabe vorschreiben.
3E hat eher den Charakter einer Hoffassade und ist ein für die Potsdamer Altstadt völlig untypischer skelettierter Bau. Die hierarchisierten Obergeschosse wirken seriell und beliebig fortführbar. Die Nord-Loggien erscheinen auch mit dem Grundriss zusammen sinnlos. Die eigentlich gute Erdgeschoßzone kann genannten die Mängel jedoch nicht wettmachen. 

Empfehlung: 3B mit Überarbeitungen  Ablehnung: 3D
Offen: 3A, 3C und 3E


Los 3A, Bieter 21073
offen
Los 3B, Bieter 21074
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 3C, Bieter 21075 
offen
Los 3D, Bieter 21076
Ablehnung


Los 3E, Bieter 21077
offen

Los 4 (Schwertfegerstraße 13)

Vorzugsvariante ist klar der klassizistische Entwurf 4A mit seiner klaren Gliederung. In der Überarbeitung sollte über etwas mehr Plastizität, vor allem des Traufgesimses, nachgedacht werden. Hier nochmals auf die Leitlinien L 1.3.10. verweisen. Über dem Eingang würde sich eine baukünstlerische Äußerung, z.B. als Relief oder Plastik, gut machen. 

Der Klinkerentwurf 4B gehört deutlich in eine gründerzeitliche Nachbarschaft und wirkt in der Schwertfegerstraße ortsfremd. In Putz wäre er allerdings ein gutes Haus, der auch in der Schwertfegerstraße zu realisieren wäre. 

4C ist eine durch Verklinkerung verkappte Schlitz-Rasterfassade, die genauso wenig nach Potsdam passt wie der Entwurf 4E, über den das Urteil der Arbeit 3D zu wiederholen wäre. Modisch, zeitgeistig und mutmaßlich mit einer ästhetischen Halbwertzeit von weniger als 5 Jahren. Der Qualitätsanspruch der Leitlinie Z 1.2. ist nicht erkennbar. Der Entwurf ist darauf angelegt, das Gesamtkunstwerk zu zerstören, nicht es fortzuführen. 

Die Arbeit 4D wirkt gewollt und unentschlossen in dem Versuch Elemente der durchaus Potsdam typischen Neogotik einzufügen. Dadurch fehlt dem Entwurf die Kraft sich in der Straße zu behaupten. Ggf. könnte hier eine Überarbeitung zu einem klareren Entwurf kommen. 

Empfehlung: 4A und 4D mit Überarbeitungen Ablehnung: 4C und 4E
Offen: 4B

 
Los 4A, Bieter 21078
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 4B, Bieter 21079
offen
Los 4C, Bieter 21080 
Ablehnung

Los 4D, Bieter 21081 
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 4E Bieter 21082 
Ablehnung

Kommentierung der Entwürfe Los 5 - 9

Los 5 (Hellmund-Giesebarthsches Haus; Architekt Boumann) Alter Markt 13/14; Schwertfegerstraße 14, Alter Markt 15

Ein Entwurf für das 1797 nach dem Brand der Nikolaikirche 1795 neugebaute Eckhaus (Erstbewohner: W. Hellmund (Koch) und H. Giesebarth (Schumacher)) war erwarteter Weise schwierig zu erstellen. Dies lag auch an den vieldeutigen und unklaren Formulierungen des Gebäudepasses. 

Alle 4 Entwürfe richten sich nach der Struktur des Baus nach Wiederaufbau, also einem dreigeschossigen Barockhaus mit Mittenbetonung, dass um ein weiteres, überhöhtes Geschoss aufgestockt wurde. Diese Wiederholung führt zwar zu mehr Geschichte in der Fassade (die Denkmalpflege würde das oberste Geschoß konsequenter Weise grau streichen lassen, um die Aufstockung kenntlich zu machen) andererseits zu einer Unausgewogenheit der Komposition (das Auge erwartet die Mezzaninfenster im obersten Geschoß). 

Angesichts der außergewöhnlichen stadtgeschichtlichen Bedeutung des Baus in Folge des Brandes der Nikolaikirche begrüßt Mitteschön jedoch die Wiederholung des eigentlich Abweichenden.
Zum Verständnis ist das Putten Relief des Eingangs genauso unverzichtbar wie die Figurengruppe der Abundantia, die über der brandgeschädigten Stadt ihr Füllhorn ausgießt. Dies ist wohl am besten im Entwurf 5D geschehen; die Sonnenreliefs in den Rundbogenfenstern des Erdgeschosses sollten ergänzt werden. Die Gesimse sind wohl in allen Renderings unglücklich dargestellt.
Für den Eckbau ist 5D die Vorzugsvariante, 5B könnte jedoch mit wenigen Ergänzungen/Überarbeitungen gleichziehen. 

Angesichts der Entwürfe für die Schwertfegerstraße 14 (historische Fassade unten) und den Alter Markt 15 die zum gleichen Los gehören, ergibt sich jedoch ein deutlicheres Bild. Bei 5d sind beide Entwürfe misslungen und auch durch Überarbeitungen kaum zu verbessern.
Entwurf 5B ist die Schwertfegerstraße mit ihren Rundbögen zwar einwandfrei modern, aber sauber und gut proportioniert. Die Bögen passen gut in die abwechslungsreiche Schwertfegerstraße. Über die Details sollte nochmals nachgedacht werden. Der Alte Markt 15 nimmt sich zurück. Leider war das Bildmaterial in der Ausstellung nur schwer zu interpretieren kein erkennbares Rendering der wichtigen Fassade zum Alten Markt hin 

Empfehlung: 5B mit Ergänzungen am Eckbau und Überarbeitungen am Alten Markt
Ablehnung: 5A und 5C Offen: 5D 
 
Los 5A, Bieter 21083
Ablehnung


Los 5B, Bieter 21084 
Empfehlung mit Ergänzung

Los 5C, Bieter 21085
Ablehnung

Los 5D, Bieter 21086
offen

Los 6 (Alter Markt 16)

Unter den Entwürfen ist die eher klassizistische Arbeit 6A eine gangbare Option. In der Überarbeitung sollte überlegt werden, ob der mittlere Eingang als Betonung nicht den Rundbogen seines Vorgängers übernehmen könnte. 

Der Entwurf 6D macht zwar aus einem wohlproportionierten 5- achsigen Bau einen langgestreckten 7-Achser das kann aber auch nur die Perspektive sein. Für den Bauplatz nahe der Nikolaikirche kann dieser Entwurf wie 6A eine gute Lösung sein. Warum an der Nikolaikirche eine große Einfahrt sein muss scheint unklar. 

Leider sind die Nutzungen der Entwürfe in der Ausstellung abstrahiert. Gastronomie wäre hier eindeutig zu bevorzugen, eine große Durchfahrt wie im Entwurf 6D ist eher unpassend.
Die Kaufhausarchitekturen 6B und 6E werden abgelehnt: ortsfremd und ohne eigene Qualität.
6C ist zwar traditionell und nimmt den historischen Bau auf, die Pilaster erscheinen gerade neben dem Knobelsdorff an der Ecke viel zu wuchtig. Zudem weisen sie ins Nichts, hier fehlten konsequenter Weise Attikafiguren oder -Vasen. Dies jedoch würde dem Bau in der Reihe eine zu große Bedeutung zukommen lassen und zu stark in Konkurrenz zum Knobelsdorff stehen. Vielleicht überzeugt eine Überarbeitung der Dach Zone. 

Empfehlung: 6A und 6C, jeweils mit Überarbeitungen Ablehnung: 6B und 6D und 6E

Los 6A, Bieter 21088
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 6B, Bieter 21089
Ablehnung

Los 6C, Bieter 21090
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 6D, 21091
Ablehnung

Los 6E, Bieter 21092
Ablehnung

 

Los 7 (Klingnersches Haus Alter Markt 17 (Architekt: Knobelsdorff) und Schloßstraße 1-3

Die Leitfassade des Klingnerschen Hauses scheint bei allen Entwürfen gelungen und durch die qualitätssichernde Begleitung der Denkmalpflege gesichert.
Die drei Entwürfe für den Bau Schloßstraße 1-3 sind allesamt unbefriedigend. Der noch am ehesten akzeptable Entwurf 7B ist für die Parzelle zu wuchtig und macht dem Stadtschloß Konkurrenz. Außerdem passen die Balkone nicht. 

Der Auslober hatte sich vorbehalten einem Bieter einen weiteren Wettbewerb für den Bau Schloßstraße 1-3 aufzuerlegen. Davon sollte Gebrauch gemacht werden.
Sollte es nicht gelingen, für die übergroße Parzelle einen passenden Entwurf zu finden, sollten die Parzellen 1-3 wieder aufgeteilt und auf einen Großbau verzichtet werden. Das täte der Fassadenabwicklung der Schloßstraße zwischen den Dominanten des Plögerschen Gasthofes (Kommandantur) und dem Klingnerschen Haus (Alter Markt 17) ggf. gut. 

Besonders ist darauf zu achten, dass die Parzelle Schloßstraße 2 wieder einen betonenden Giebel erhält, der beim Durchschreiten der Ringerkolonnaden von Süden nach Norden (die nach Wunsch der Stadt wieder an das Schloss angeschlossen werden soll) eine inszenierte Sicht darstellte. 

Empfehlung: 7B, die Stadt sollte sich auf ihr Recht berufen und für die Parzelle Schloßstraße 1-3 einen Einzelwettbewerb fordern und/oder die Parzellen 1-3 wieder aufzuteilen.
Ablehnung: Entwürfe Schloßstraße 1-3 7A und 7C 


Los 7A, Bieter 21093
Ablehnung Schlossstrasse 1-3

Los 7B, Bieter 21094
Empfehlung

Los 7C, Bieter 21095 Ablehnung Schlossstrasse 1-3

 

Los 8 (Gleisbergersches Haus, Schloßstraße 4)

8A mit seiner aufgemalten und asymmetrischen Fassade ist wohl eher als humoristischer Beitrag zur Diskussion zu betrachten über die Fassade kann man schon nach zweimaligem Hinsehen nicht mehr lächeln. 

8B und 8C sind je eine klassizistische und eine moderne Lösung für die Parzelle, die jedoch die Qualitäten des Vorgängerbaus mit seinen repräsentativen Rundbögen vernachlässigt.
8D ist ein unentschlossener Entwurf, der in seinem Material (geschlämmter Ziegel?) unpassend erscheint. Die nach ober anschwellenden Pseudo-Pilaster sind manieristisch und ohne Bezug. Die bodentiefen Fenster am Steubenplatz werden durch die Wohnnutzung in der Regel vollständig verhängt, so dass die Sicht gestört wird. Die Geschosse trotz der Gastronomienutzung im Erdgeschoß nicht hierarchisiert hier gehört ein überhöhtes Erdgeschoß in die Reihe.
Der Entwurf 8E mit seinen Schraffuren bleibt in der Materialität unklar, die Proportionen jedoch sind sauber. Statt der bodentiefen Fenster des 1. Obergeschosses würden Brüstungsfenster die Fassade beruhigen. In Putz denkbar. 

Empfehlung: 8B oder 8E, jeweils mit Überarbeitungen Ablehnung: 8A
Offen: 8C und 8D 

Los 8A, Bieter 21097
Ablehnung

Los 8B, Bieter 21098
Empfehlung mit Überarbeitung

Los 8C, Bieter 21099
offen

Los 8D, Bieter 21100
offen
Los 8E, Bieter 21101 
Empfehlung mit Überarbeitung

 

Los 9 (Plögerscher Gasthof bzw. Kommandantur, Fuge und Schumannsches Haus, Schloßstraße 5)

Für den Plögerschen Gasthof als Leitfassade garantiert die qualitätssichernde Begleitung durch die Denkmalpflege ein gutes Ergebnis. Die Originalattikafiguren von Benkert sollten wieder auf das Dach, der herrliche Legionär Heymüllers für die Ecke nachgeschöpft werden.
Die Fuge scheint mit Glas bei allen Entwürfen passabel, solange sie nicht hinterleuchtet wird. Nur der Entwurf 9D schließt die Fuge allerdings überzeugend.
Das Schumannsche Haus (Schloßstraße 5) ist fast überall unbefriedigend. 9A entwirft eine einfache Bauklötzchen Struktur in der Referenz des Stella-Entwurfes für die Ostfassade des Berliner Schlosses. 

9B versucht halbherzig, die Idee der pyramidenförmigen Bossierung der Medici-Bauten der Renaissance als Rückbezug der Sternpaneele der ehem. FH unterzubringen. Vielleicht ist es auch nur eine Adaption des Entwurfes von Goergens + Miklautz für das Bücherkaufhaus am Münchner Marienplatz. In jedem Fall ist das Ornament in der Attika falsch platziert und durch seinen Einsatzort vom Passanten kaum zu bemerken. Die Verwendung von zwei blechverkleideten Stützen, die sich in den Obergeschossen als anschwellende Pseudo-Pilastern fortsetzen, gehört ebenfalls nicht ins 21. Jahrhundert. 

9C versucht sich mit gleichem Misserfolg am selben Thema und verwendet im Erdgeschoß zwei gründerzeitliche Gusseisen Säulen, die den darüber errichteten Bau in der Luft hängen lassen. Die Absturzsicherung aus Sternpaneelen (?) sind entweder Ironie oder lassen den Respekt gegenüber dem Motiv vermissen. 

9D schlägt ein konsequent modernes Haus vor, das auch sauber proportioniert ist. Die Leuchten an der Traufe scheinen nicht zweckmäßig. Hier müsste auf Materialität (Putz?) geachtet werden. 

Empfehlung: 9D mit Überarbeitungen Ablehnung: 9A, 9B und 9C 
Los 9A, Bieter 21102
Ablehnung

Los 9B, Bieter 21103
Ablehnung

Los 9C, Bieter 21104 
Ablehnung

Los 9D, Bieter 21105
Empfehlung mit Überarbeitung


Fazit

Unsere Bewertungen für die Fassadengestaltung ergab für jedes Los mindesten einen Entwurf, der akzeptiert werden kann, wenn er auch der Überarbeitung bedarf.
Leider überwiegen bei 17 von insgesamt 37 eingereichten Entwürfen die Ablehnungen, weil sie den Respekt vor den Leitfassaden und eine Beachtung der Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale schmerzlich vermissen lassen. 

Von großer Wichtigkeit scheint uns auch das Augenmerk auf die Gesamtensemblewirkung zu legen. Eine Hierarchie bzw. Gliederung des gesamten Fassadenablaufes als gestalterische Einheit ist teilweise nicht erkennbar. Könnte aber durch Überarbeitung geheilt werden.
Schade ist auch, dass die Dächer fast durchgängig mit Dachflächenfenstern oder Loggien perforiert werden. Mitunter hätte der Mut zu einer oder mehreren Gauben die Entwürfe harmonischer gestaltet. 

Insgesamt fehlt auch der Mut zu mehr an Plastizität und Ornamentik in moderner Formsprache in den Fassaden.
Die Nutzungen konnten nicht beurteilt werden, da diese nur abstrakt beschrieben waren. Bei einigen Entwürfen erkennt man Gastronomie, bei vielen ist jedoch keine Erdgeschoßnutzung erkennbar. 

Insgesamt dennoch ein erfreuliches Ergebnis des Wettbewerbes für Gestaltung in zeitgenössischer Architektur, dass die Chance offenlässt, die Einzigartigkeit des Gesamtkunstwerkes Potsdam in seiner Mitte wiederherzustellen. 

Die Verantwortung liegt jetzt in den Händen der Auswahlkommission. 

Freitag, 1. Dezember 2017

Bewertung der 37 Entwürfe im Quartier III am Alten Markt





Um das Ziel der Leitlinien und Ziele für die Potsdamer Mitte, nämlich „vorbildlichen Städtebau“ und „die Heilung und Ergänzung des Gesamtkunstwerks Potsdam“ zu erreichen müssen sich die Entwürfe an den Leitlinien messen lassen. Die Präambel der Leitlinien schreibt eine Beachtung der „Potsdam-typischen Gestaltungsmerkmale und überlieferten Gestaltungsregelungen“ vor, die das „eigenständige Wesen und die Atmosphäre dieser einstigen Residenzstadt geprägt haben“.
Da durch die Vorgabe des historischen Stadtgrund- und aufrisses und die damit verbundenen Kleinteiligkeit der Parzellierung wesentliche Vorgaben zur Wiedergewinnung der Gesamtensemblewirkung vorgegeben sind, haben wir uns auf die Fassadengestaltung der Entwürfe beschränkt. Das gilt insbesondere für die Entwürfe in zeitgenössischer Architektur außer den beiden Leitfassaden.
Bewertungskriterien waren dabei:
  1. Einhaltung der Ziele und Leitlinien des Leitbautenkonzeptes (Anlage 2 Leitlinien zur Gestaltung)
  2. Einhaltung der Vorgaben und Empfehlungen aus den Grundstückspässen ( Anlage 4 Grundstückspässe)
  3. Einhaltung Potsdam-spezifischer Gestaltungskriterien
    1. Vielfalt der geometrischen Formen
    2. Beachtung Goldener/Silberner Schnitt
    3. Fensterreihung- und –rhythmus
      (Ungerade Reihung 3/5/7)
    4. Plastizität, Detail und Ornamentik in
      moderner Formsprache

Siehe auch unser Video zu den Potsdam-spezifischen Gestaltungsregeln: Potsdam eine Stadt zum Verlieben.
Auf dieser Grundlage haben wir die Entwürfe für die einzelnen Lose bewertet und in drei Kategorien eingeteilt:
  1. Empfehlung: Entwürfe, die der Überarbeitung bedürfen.
  2. Ablehnung: Entwürfe, die die Vorgaben aus den Leitbautenkonzept nicht erfüllen oder Potsdam-spezifische Gestaltungsmerkmale gänzlich vermissen lassen und die unserer Einschätzung nach durch Überarbeitung nicht zu heilen sind.
  3. Offen: Entwürfe, die eventuell durch deutliche Überarbeitung verändert werden könnten, aber bei denen wir nicht wissen können, ob das überhaupt möglich ist.
Hier die vollständige Kommentierung:
Wiederaufbau der Potsdamer Innenstadt – Block III.UZ 171130
Siehe auch die Entwürfe auf www.potsdamermitte.de

Donnerstag, 20. April 2017

Gib dieser Stadt eine Chance


Mitteschön zum neuen Bad und zum ILB Neubau


Gibt es denn in dieser Stadt keine Chance, einen angemessenen Architektur-Entwurf zu entwickeln, der mal nicht aus einer weißen kahlen Kiste besteht? Einen, der Potsdamer Architektursprache bedient? Einen Neubau, der sich behutsam in das städtebauliche Ensemble einfügt?
Überall stehen weiße Klötzer im Stil vorstädtischer Industriegebiete herum.
Wenn man keine zusätzlichen Informationen zu dem neuen Bad am Brauhausberg bekommen würde, würde man rätseln, was das ist ….Lagerhalle? Kaufhalle? Megacenter?
Der Bau als solcher spricht nicht zu uns, er ist einzig allein der Funktion untergeordnet.

Eine neue Schwimmhalle am Potsdamer Brauhausberg sollte bei aller Funktionalität ihre einmalige und typische Form doch wohl aus der naheliegenden Assoziation mit dem Element Wasser oder zumindest durch die Hanglage mit der umgebenden Natur erhalten. Der Niemeyer-Entwurf ließ eine diesbezügliche Ahnung zu und erhielt nicht umsonst spontan so viel erste Zustimmung. Selbst die DDR-Schwimmhalle bot mit ihrem geschwungenen Dach und den ehemaligen Kaskaden am Hang einen emotional ansprechenden Zugang im Gesamteindruck.
Wozu nun die Härte und Kälte eines solchen Blocks?
Eine einladende Gliederung und warme Farbigkeit wäre doch wohl der mindeste Anspruch bei einem Entwurf für ein öffentliches Gebäude in einem so wichtigen städtischen Naturraum, welches allen Generationen zur Erholung dienen und den Gästen der Stadt bei ihrer Ankunft am Bahnhofsblock einen angenehmen ersten Eindruck von unserer Landeshauptstadt vermitteln soll.

Solche Entwürfe gab es auch! Warum wird so etwas nicht favorisiert?
Übrigens, die Architekten sind nicht immer Schuld an solch einer seelenlosen Bauweise, sie tun das, was der Bauherr anweist. Wenn die Stadt der öffentliche Bauherr ist, liegt hier die primäre Verantwortung. Und selbst private Bauherren sollten in einem öffentlichen  Stadtraum gewissen Regeln folgen und sich entsprechen unterordnen, vor allem in einer Stadt, die einst als „Gesamtkunstwerk“ konzipiert wurde.
Man kann nicht in einem Atemzug die „schöne Stadt Potsdam“ in den höchsten Tönen preisen und gleichzeitig im aktuellen Bauen das Gegenteil praktizieren. Eine gute Funktionalität im Inneren und eine solide Finanzierbarkeit stehen außer Frage, aber die öden Ergebnisse wie das Bahnhofcenter, die grauen kasernenhaften Blöcke in der Breiten Straße oder das neue Rehabilitationszentrum in der Gutenbergstraße in seiner kalten Pracht (mit der emotionalen Ausstrahlung einer Pathologie),sprechen in ihrer trübseligen Wirkung ihre eigene emotionale Sprache . Dieser allgemeine Zustand ist wenig begründbar mit Kosten, sondern mit dem Mangel am Wollen und an Ideen.
Zum guten Lebensgefühl der Menschen einer jeden Generation zählen eben auch ein gewisses Maß an zeitloser Schönheit und Proportionen nach menschlichem Maß,

Wir haben noch keinen gehört, dem diese Architektur gefällt! Ihnen?

Die ILB ist die nächste Bausünde!

Im Zusammenklang mit dem Bahnhofscenter, dem neu errichteten Hotel und der Semmelhackstadt hinter dem Bahnhof hat der neu errichteter Bau wohl seine Berechtigung, monumental erhebt er sich jetzt an der Neuen Fahrt aber, das ist nicht mehr Potsdam!
Das ist beliebige Architektur, die in vielen europäischen Städten in ähnlicher Form zu finden ist.



Der Architekt erklärte Mitteschön damals seinen Siegerentwurf.
Zitat: “Diese drei Pavillons (ja, er sprach tatsächlich von Pavillons!)fügen sich nahtlos in die Landschaft ein! Sie zerfließen mit den Havelauen. “
Bei der Bauvolumenmasse ist nichts mehr von „zerfließen“ zu bemerken!
Wir hatten damals schon Bauchschmerzen, aber das Resultat übertrifft alle unsere Befürchtungen.
Es stehen jetzt da drei riesige Würfel mit den bekannten Schießscharten Muster, bei denen man Augenflimmern bekommt. Durch die Gleichförmigkeit der Fenster erscheint das Gebäude als ein einzig großer Monolith. Nichts mehr mit 3 Pavillons!
Man nimmt sie gar nicht mehr wahr!

Ja, die ILB Führung wollte alles richtig machen und verließ sich auf große anerkannte Architektur Büros.
Aber alle Entwürfe die man der Öffentlichkeit im Bahnhofscenter vorstellte, waren nach unserem Verständnis nicht machbar.
Keiner der Büros hatte das „Händchen“ für Potsdam.
Alle verkauften ihre Entwürfe, die vorprogrammiert aus ihrem Software Baukasten stammten -  so unser Gefühl.
Wo bleiben unsere Potsdamer Architekten, die die Stadt als Gesamtkomposition begreifen?
Schade, wieder eine Chance vertan!