Freitag, 29. Januar 2016

Die Bestimmung des Lustgartenareals als Sanierungsgebiet ist nicht nur unausweichlich, sondern langfristig sinnvoll

Die besondere Qualität des Ensembles Schloss und Lustgarten in Potsdam

Die Diskussion um das Für und Wider der langfristigen Wiederherstellung des Lustgartens verschiebt sich einmal wieder in Richtung ideologischer Grabenkämpfe zur Rettung der Nachkriegsmoderne, unterfüttert von der immer hilfreichen Keule des Erhalts oder Wegfallen von Arbeitsplätzen. Auch emotional motivierte Argumente sind in dieser Debatte irreführend. Lassen Sie mich dazu einige Gedanken äußern:
Nützlich ist keine dieser Argumentationsschienen. Erst einmal muss ich konstatieren, dass es für alles eine Lösung gibt, wenn man eine LANGFRISTIG GUTE LÖSUNG denn herbeiführen will.

1. Der Gesamtraum
Da der Lustgarten immer der landschaftsgestalterische Komplementär zum Stadtschloss gewesen ist und dieser Bedeutungszusammenhang nur mit dem langfristig sinnvollen und notwendigen Abriss des Mercure-Hochhauses wiedererlangt werden kann, ist es richtig und nachvollziehbar für dieses langfristige Denken die Sanierungsziele entsprechend festzuschreiben. Gerade durch die Wiedererrichtung des Potsdamer Stadtschlosses erhält der Umgang mit dem Lustgarten in Einheit mit dem Schloss eine völlig andere Bedeutung, in der der Erhalt des Mercure-Hochhauses und nach bisherigem Stand auch möglicher Neubau an selber Stelle einen Widerspruch in sich darstellen würde, da die architektonisch-landschaftsgestalterische Verbindung von Schloss zu Garten durch eben dieses Hochhaus abgeschnitten ist und dieser Zustand ggf. auf sehr lange Zeit zementiert würde.
Die Notwendigkeit der Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss vom Alten Markt über Haveluferbebauung mit Schloss bis zum Lustgarten drängt sich seit der Fertigstellung des Stadtschlosses und der Bebauung an der Alten Fahrt nahezu dramatisch auf. Der in der Moderne immer verschmähte Begriff des ensemblehaften Denkens zugunsten des autonomen "Baukunstwerkes" hat nicht nur in Potsdam den eindeutigen Beweis angetreten, dass mit einer beziehungslosen Ansammlung von auf sich selbst gerichteten Solitären keine starken öffentlichen Stadträume geschaffen werden können, in denen sich Bewohner und Besucher gerne aufhalten. Die ersten positiven Ergebnisse politisch verantwortlichen und klugen Handelns durch Umsetzung des Beschlusses, Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss, sehen wir in der Fertigstellung der Haveluferbebauung in Einheit mit Schloss und Altem Rathaus. Dieser Prozess muss also weitergedacht werden.

2. Emotio versus Ratio
Durch persönliche Erinnerungen aufgeladene Ablenkungsdebatten sind hier wenig hilfreich im Sinne einer Gestaltung unserer Stadträume für die Bürger der Stadt und ihre Besucher, sind also eher eine die jetzt lebenden Generationen betreffende Befindlichkeiten. Aber wie wird die Stadt in 30 - 50 Jahren von den uns folgenden Generationen gesehen? Emotionalitäten wirken nur kurzfristig, der mit Verstand und Vernunft (Ratio) entwickelte Stadtraum ist bleibend. Auch der Wegfall von Arbeitsplätzen wird hier, wie so oft, gerne vorgeschoben. Es wäre an der Zeit, z.B. dem Betreiber des Hotels langfristig ein Ausweichgrundstück in der nahen Speicherstadt abzusichern, bzw. zu reservieren.
Hier stehen sich also Emotionalität und Rationalität oder Gefühl und Verstand diametral gegenüber. Der stärkste Faktor ist das Denken im gesamten Ensemble und die Entwicklung eines von Harmonie geprägten Stadtraums, das ist sichtbar oder wird langfristig sichtbar sein. Emotionen lassen sich städtebaulich-architektonisch nicht abbilden. Brüche im Stadtraum lassen sich aber auch dem Bewohner und Besucher von außerhalb nicht vermitteln.

3. Strategie und politische Weitsicht
Nur die Qualität einer Gestaltung für diesen Ort gepaart mit einer den öffentlichen Raum bereichernden Nutzungsmischung (Lustgarten mit Neptunbecken, Sport- und Spielflächen, Café- und Bistropavillons etc.) ist maßgeblich für die dauerhafte Akzeptanz dieses Ortes und seiner Lebens- und Aufenthaltsqualität verantwortlich. Mit einer Neugestaltung des Lustgartens und Rekonstruktion des Neptunbeckens kann dieser Raum die Qualität eines vielfältig nutzbaren Stadtparks erhalten. Anstelle der steinernen Jahrmarktflächen südlich der Breiten Straße könnten ergänzende freiraumgestalterische Maßnahmen, wie Sport- und Spielflächen, sowie z.B. Fontänen und Wasserspiele den Charakter des Lustgartens stärken und auf den Raum vor dem Marstall/Filmmuseum reagieren. Zusätzliche Pavillon-Architekturen für kleine gastronomische Angebote können die Aufenthaltsqualität erhöhen und zum Verweilen einladen.
Dem Betrachter sowie dem Flaneur vor Ort würde der Erhalt des status quo immer rätselhaft und unverständlich bleiben. Von ihm ginge langfristig keine einladende Geste aus.
Keiner möchte das Hotel morgen abreißen. Das steht auch nicht zur Entscheidung in der Stadtverordnetenversammlung an. Es geht nur darum, sich mit der Festschreibung als Sanierungsgebiet eine tragfähige kulturell ambitionierte und achitektonisch-stadträumlich sinnvolle Chance zur LANGFRISTIGEN Entwicklung des Lustgartens und eines von der Mitte nicht abtrennbaren Bereichs nicht zu verbauen, also um eine Entscheidung von politischer Weitsicht, an die sich spätere Generation gerne erinnern und an dessen Ergebnis erfreuen würden.
Politische Entscheidungen leben nicht vom Augenblick, sondern von ihrer Weitsicht.
Eine Bürgerbefragung, wie sie jetzt wieder beantragt wird, wird immer dann herbeigeredet, wenn eine mehrheitliche Entscheidung des demokratisch legitimierten Stadtparlamentes nicht in das jeweilige politische Konzept passt. Wir leben nun einmal in einer parlamentarischen Demokratie, in der mehrheitlich getroffenen Entscheidungen der Mandatsträger akzeptiert werden müssen. Da sind Parallelstrukturen wie Bürgerbefragungen wenig hilfreich. Öffentliche Debatten sind wichtig und notwendig, dürfen aber nicht dazu führen, die redundante Dauerinfragestellung politischer Entscheidungen zu einem politischen Lähmungsinstrument zu machen.

Prof. Ludger Brands, POTSDAM SCHOOL OF ARCHITECTURE, 26.01.2016

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