Freitag, 9. Januar 2015

Barbara Kuster im Interview "Die Sponsoren halten die Taschen zu"

Seit Jahren engagiert sie sich für die Wiedergewinnung vom Potsdams alter Mitte: "Mitteschön"-Aktivistin Barbara Kuster spricht im MAZ-Interview über die Garnisonkirche, den Langen Stall als Museumsdepot, den Lustgarten und modernes Bauen in Potsdam.

MAZ : In den letzten Wochen gab es die Spatenstiche für das neue Bad am Brauhausberg und für die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) am Hauptbahnhof. Kann Mitteschön sich mit diesen modernen Bauten anfreunden?
Barbara Kuster nimmt kein Blatt vor den Mund.
Kuster: Generell haben wir nichts gegen moderne Architektur. Die Frage ist nur: Passt diese in unsere Stadt? Wenn wir am Schluss so etwas bekommen wie diesen Schwimmbadbau oder die drei Glaswürfel des neuen ILB-Gebäudes, ist das für uns nicht befriedigend, denn diese Bauten könnten genauso gut woanders stehen. Das hat rein gar nichts mit Potsdam zu tun.

MAZ: Wie sollte dieses Potsdam-Typische aussehen? Soll da der Brandenburger Adler draufgepinselt werden? Oder dürfen nur noch märkische Ziegel verbaut werden?
Kuster: Ich bin keine Architektin, aber wir wünschen uns eine Architektur, die auf den Ort eingeht. Das kann zum Beispiel mit Form und Materialien erreicht werden. Auf jeden Fall sollten die Leute, wenn sie aus dem Bahnhof treten und das Bad sehen, sagen: „Aha, das ist Potsdam!“ So etwas ist schon bei anderer moderner Architektur in Potsdam gelungen. Es gibt ganz viel Architektur aus den 50er und 60er Jahren, die sich wunderbar ins Stadtbild einfügt. Das Ochsenkopfhaus etwa, schräg gegenüber vom Rechenzentrum. Und hinten am Kanal gibt es Häuser, an denen man Kunst am Bau sehen kann. Da findet man zum Beispiel den Kopf eines Mädchens über der Tür – und das Mädchen hat ein Pionierhalstuch um!

MAZ: Das, was heute als typisch für die Stadt gilt wie die friderizianischen Bauten, war ja seinerzeit ganz atypisch für die Region. Der König ließ schamlos von Vorbildern in anderen Ländern abkupfern – gern in Italien. Hätte Friedrich landestypisch gebaut, stünden heute nur Fachwerkhütten mit Reetdächern.
Kuster: Aber Friedrich hat nicht eins zu eins die Vorbilder nachgeahmt, sondern sie den Potsdamer Gegebenheiten angepasst, vieles – wie das Palais Barberini – wurde deutlich verkleinert. Es ist schon typische Potsdamer Architektur.

MAZ: Anfang 2014 schlossen sich viele Innenstadtvereine wie „Mitteschön“, Stadtkanalverein oder Garnisonkirchenverein zum „Bündnis Potsdamer Mitte“ zusammen. Welches der vielen Projekte hat das Jahr geprägt?
Kuster: Wichtig ist für uns, dass die Garnisonkirche kommt. Sie würde Harmonie in die Breite Straße bringen, schon allein weil die Straße in ihrer Länge halbiert würde. In die Straße vorgeschoben wäre die Kirche ein wunderschöner Blickfang, ein Pendant zum Schloss und würde die Monotonie dieser kalten Straße aufbrechen. Wenn die frisch gepflanzten Bäume größer werden, verdeckten sie milde die Fassade der Studentenwohnheime und der IHK.

MAZ: Planen Sie Spenden-Aktionen zugunsten des Wiederaufbaus? Schließlich krankt das Projekt ja an den fehlenden Geldern.
Kuster: Die Spenden sind nicht unsere Aufgabe. Das macht die Stiftung. Wir machen Postkartenaktionen, um den Potsdamern zu zeigen, was dieser Ort einmal war. Die Karten sollen zeigen, was die Kirche im Stadtbild bewirken könnte. Deshalb zeigen sie Ansichten – einmal die Breite Straße mit dem Turm und einmal ohne Turm. Wir wollten diesmal nicht agitieren mit Worten, sondern mit Bildern. Meiner Meinung nach sind wir an einem Punkt angekommen, wo mit Worten alles gesagt ist.

MAZ: Also glauben Sie nicht mehr an den Dialog mit den Kritikern?
Kuster: Es kommen immer wieder die gleichen Argumente. Ich sehe keinen Konsens zwischen den beiden Lagern. Außerdem ist die Garnisonkirchenstiftung autonom und könnte jederzeit bauen, wenn das Geld dafür da wäre. Aber die Sponsoren halten die Taschen zu, so lange die skeptische Stimmung in der Stadt besteht. Das war ja die Absicht der Gegner. Daher machen wir diese Aktion. Ich kann also nur die Potsdamer, die dafür sind, bitten, das auch laut zu sagen. Sonst hört man immer nur die Stimmen der Gegner. In der Stadt herrscht teilweise Furcht, sich öffentlich für die Kirche auszusprechen. Das mussten wir erleben, als wir unsere Postkarten in Geschäften auslegen wollten. Etliche Geschäftsleute winkten ab, weil sie Anschläge fürchteten. Natürlich sind das keine terroristischen Anschläge, aber Stinkbomben sind ja auch nichts Schönes. Wie aggressiv mitunter die Gegner vorgehen, sieht man an der gezielten Zerstörung unserer Prospekte an der Garnisonkirchenkapelle.

MAZ: Man kann ja nicht pauschal eine ganze Gruppe unter Generalverdacht stellen – ganz ohne Beweise.
Kuster: Ich will nicht alle über einen Kamm scheren, aber es gibt durchaus militante Leute unter den Gegnern.

MAZ: Ein weiteres Thema, das die Stadt bewegt hat, war der Lustgarten. Was halten Sie vom aktuell laufenden Lustgarten-Workshop?
Kuster: Die Entwürfe haben gezeigt, was uns auch stört: Der Standort des Hotel Mercure zerstört die Sichtachse zwischen Schloss und Lustgarten. Das sehen die Architekturbüros genauso. Aber das alles ist ein Gedankenspiel auf lange Sicht. Und vor allem ein sehr teures Gedankenspiel! Die Stadt will dokumentieren, dass sie bürgernah ist. Das ist ja eigentlich schön. Aber ob es diese Geldausgaben für die Workshop – eine halbe Million Euro – rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt. Die Gemüter kochen hoch, und viele denken, morgen fällt das Hotel. Dabei wird es uns noch lange, lange erhalten bleiben. Natürlich muss man sich fragen, ob man das Mercure langfristig will oder nicht. Und das ist Aufgabe der Stadtentwicklung. Da müssen die Sanierungsziele verändert werden, um langfristig die wichtigsten Weichen zu stellen.

MAZ: Die Diskussion um das Mercure schadet dem Hotel-Standort und somit den Mitarbeitern. Hat man da nicht auch eine Verantwortung?
Kuster: Sicher, aber das Haus steht ja noch ein paar Jährchen. Wie es danach weitergeht, steht in den Sternen. Wir haben ja nichts gegen das Hotel. Auch der Bau selbst könnte gut als Beispiel für Architektur der Nachkriegsmoderne stehen. Nur sein Standort ist falsch. Zu DDR-Zeiten wurde in Endzeitmanier größenwahnsinnig über den alten Stadtgrundriss gebaut. Die FH am Alten Markt wäre in saniertem Zustand gewiss ein interessanter Bau. Aber die Stadtverordneten haben nun einmal beschlossen, dass wir zum ursprünglichen Stadtgrundriss zurückkehren. Und das ist auch gut so.

MAZ: Etwas aus dem Blickfeld geraten ist der Wiederaufbau des Langen Stalls an der Plantage. Der erste Entwurf wurde wegen öffentlicher Kritik gekippt. Nun soll es eine Neuausschreibung geben für jenen Teil des Stalls, der auf städtischem Land steht. Wie ist der Stand?
Kuster: Wir würden es gut finden, wenn das Areal im Besitz der Stadt bleiben würde. So könnte man über eine sinnvolle öffentliche Nutzung nachdenken oder bauen und es dann an einen Kernmieter vermieten. So könnten wir den Platz optimal wieder in seine ursprüngliche wundervolle Form bringen. Außerdem, so glaube ich, würde sich das langfristig finanziell für die Stadt auszahlen. Warum also kann die städtische Pro Potsdam den Langen Stall nicht in Leichtbauweise als Museumsdepot aufbauen? Nur mal so als Gedankenspiel.

MAZ: Der ursprünglich geplante Wohnungsbau hätte der Stadt einen Erlös gebracht, der zur Entwicklung der Plantage genutzt werden sollte. Dieses Geld würde bei einer Depot-Lösung fehlen.
Kuster: Kurzfristig ja – langfristig nein. Die Grundstückspreise werden enorm steigen, da die Innenstadt immer attraktiver wird! Und Wohnungsbau wird es ja trotzdem geben. Nach wie vor soll der Platz hinter dem Langen Stall dafür genutzt werden. Und wer würde schon eine Wohnung an diesem Standort kaufen, wenn man jahrelang im Schatten der Garnisonkirchen-Baustelle leben muss? Deshalb finde ich die Vision gut, dass der Lange Stall in den Händen der Stadt bleibt.

Quelle: MAZ vom 7.1.2015 im Interview mit Ildiko Röd

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